Impulse für die Zukunft der Bergregionen

Das Jugendforum der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) tagte erstmals im Kräuterdorf. Die Teilnehmenden nahmen an einem Workshop teil und wählten neue Gemeinden, welche mit dem Label «Jugendfreundliche Bergdörfer» ausgezeichnet werden wollen.

Peter Helfenstein

Aus der ganzen Schweiz reisten sie am Freitagabend, 3. März, in das Luzerner Hinterland. Junge Menschen, vor allem aus den «Jugendfreundlichen Bergdörfern» aus den Bergkantonen Graubünden und Wallis, trafen in Hergiswil ein. Sie genossen ein gemeinsames Nachtessen und ein freiwilliges Abendprogramm.

Fachprogramm am Samstagvormittag
Im Anbau der Steinacherhalle begrüsste Sarina Caduff, Präsidentin des Jugendforums der SAB, am Samstagmorgen zum Fachprogramm. Sie gab Anliegen an die nationale Politik bekannt und Thomas Egger, Direktor der SAB, informierte über Neuigkeiten der SAB. Im Anschluss daran fand ein «Speeddating» statt, bei dem die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, von denen einige sich zum ersten Mal begegneten, sich kennenlernen konnten.

Ergreifendes Interview
Urs Kiener, Gemeindepräsident von Hergiswil, erhielt für seine Begrüssung, welche er auf Französisch hielt, einen begeisterten Applaus vom Plenum. Anschliessend führte er ein Interview mit dem 24-jährigen Hergiswiler Sebastian Rupp, welchen er trotz grossem Altersunterschied als sein «Vorbild» bezeichnete. Dieser schilderte seine Erfahrungen mit Kinderrheuma, welches ihn als Kind ans Bett fesselte und ihn gezwungen hat, zeitweise auf seine Freunde und die Schule zu verzichten. Rupp erzählte von den Werten, die ihm von seiner Familie vermittelt wurden, darunter Anstand, Respekt und Offenheit gegenüber anderen Menschen und Kulturen. Rupp lobte die Gemeinde für ihre Förderung der Jugend durch den Jugendverein und für die kleine Bar im Jugendkeller, wo junge Menschen sich treffen und gemeinsam Zeit verbringen können. Er betonte auch, wie wichtig es ist, dass Jugendliche sich in Vereinen und der Gemeinde engagieren, sei es durch die Übernahme von Ämtern in einer Kommission oder einem Vorstand oder die Teilnahme an Gemeindeversammlungen. Wichtig sei ihm auch sein Hobby als Es-Tuba in der Musikgesellschaft Hergiswil, wo er eine «schöne Vermischung der verschiedenen Altersgruppen» erlebe.

Drei Wünsche für die Zukunft
Auf die Frage, was die ältere Generation für die jüngere Generation tun könne, meinte Rupp, dass die ältere Generation die jüngere Generation unterstützen kann, indem sie diese so akzeptiert, wie sie ist. Die heutigen Jugendlichen hätten andere Herausforderungen zu bewältigen als frühere Generationen, da sich die Zeiten verändert hätten. Rupp betonte aber auch, wie wichtig es sei, dass die Generationen miteinander kommunizierten und voneinander lernten. Er habe das Glück gehabt, in einem Haushalt aufwachsen zu dürfen, wo drei Generationen miteinander zusammenlebten. Am Schluss des Interviews bat ihn der Gemeindepräsident drei Wünsche anzubringen. Sebastian wünschte von der Gemeinde, dass sie eigen- und bodenständig bleibt, so wie er sie kennenlernen durfte. Als Nächstes bat er Urs Kiener mit einem Schmunzeln darum, dass er sagen solle: «So, nun habe ich genug vom Amt als Gemeindepräsident» und dass jemand gefunden wird, der genauso leidenschaftlich und engagiert für alle als Gemeindepräsident arbeitet. «Und für mich selber wünsche ich, dass ich gesund bleibe und fröhlich und offen durchs Leben gehen kann», schloss der sympathische junge Hergiswiler seine drei Wünsche ab.
Natürlich kam Sebastian Rupp nicht alleine – er hatte seine «Geliebte» namens Es-Tuba dabei. Mit ein paar Takten aus dem Stück «Fantasy on Swiss Airs» zeigte er sein Talent auf dem beeindruckenden Instrument. Wenn man genau hinhörte, konnte man die Melodie des Kultliedes «Vo Lozärn gäge Weggis zue» erkennen. Die Versammelten belohnten diese musikalische Überraschung mit tosendem Applaus.

Musik verbindet Jung und Alt: Der 24-jährige Hergiswiler Sebastian Rupp und Gemeindepräsident Urs Kiener.

Bild Peter Helfenstein

Mobilität, Job, Kommunikation
Nach dem Vergnügen folgte die Arbeit. In Gruppen setzten sich die Jugendlichen in Workshops zu den Themen Mobilität, Jobsituation und Kommunikation auseinander und hielten ihre Vorschläge und Beweggründe schriftlich fest. In Anschluss daran wurden die Workshopergebnisse präsentiert.
Philipp Mehr, Präsident der Jugend Hergiswil, sieht das Jugendforum als eine Chance, um bei solchen Treffen Inputs zu erhalten, um sie in der eigenen Gemeinde zu generieren. Er ist der Meinung, dass in Hergiswil bereits viele Angebote für die Jugendlichen vorhanden seien, wie zum Beispiel die Anbindung an den öffentlichen Verkehr, der Jugendkeller, eine gute Schulbildung oder die Möglichkeit, in einem einheimischen Gewerbebetrieb eine Lehre zu absolvieren. Aber auch die Jugendlichen selber würden neue Angebote schaffen. Das neueste Beispiel, die Polyriege des Sportvereins, wurde von Jugendlichen auf die Beine gestellt. Am Donnerstagabend treffen sich junge und junggebliebene Erwachsene, um miteinander Sport zu treiben.
Nach dem Mittagessen fand die Generalversammlung des Jugendforums statt. Nebst den üblichen Traktanden erfolgte die Wahl von neuen Gemeinden, welche als jugendfreundliche Bergdörfer ausgezeichnet werden wollen. Die Namen dieser Gemeinden bleiben bis zur Generalversammlung der SAB geheim.

Hergiswil als SAB-Gemeinde
Doch wie kam die Gemeinde Hergiswil zu dem Label? 2017 fand hier die zweitägige Generalversammlung und Fachtagung der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) statt. «Damals wurde der Gemeinderat auf das Label Jugendfreundliche Bergdörfer aufmerksam», erklärt Urs Kiener. Man habe sich gesagt: «Was die Walliser können, das können wir auch.» Es wurde eine Bewerbung bei der SAB eingereicht und bereits ein Jahr später wurde der Gemeinde Hergiswil anlässlich der denkwürden GV zum 75-Jahr-Jubiläum der SAB in Bern das Label «Jugendfreundliches Bergdorf» verliehen. «Das Jugendforum ist nicht Selbstzweck, sondern es entstehen zwischenmenschliche Kontakte zwischen Jung und Alt. Man trifft auf Menschen, die man sonst nie treffen würde», sagt Urs Kiener, und man spürt genau bei solchen Worten sein Herzblut für die Jugendlichen.

 

Was will das Label «Jugendfreundliche Bergdörfer»?

Viele Bergdörfer haben die Abwanderung ihrer Jugend zu beklagen. Oft wünschen sich die Jugendlichen vergeblich eine Verbesserung der Angebote und ihrer Zukunftsperspektiven in den Heimatgemeinden. Daher entscheiden sie sich für einen Umzug in Zentren. Sobald der Prozess der Abwanderung einmal begonnen hat, lässt er sich nur noch schwer stoppen. Um diesem Prozess entgegenzuwirken, entwickelte die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) das Label «Jugendfreundliche Bergdörfer», das am Kern dieser Abwanderung ansetzt, nämlich der Jugend.

Mit dem Label werden Gemeinden ausgezeichnet, die ihren Jugendlichen eine verbesserte Zukunftsperspektive im Heimatdorf bieten sowie den Einbezug der Jugend in die Ge- meindeentwicklung fördern. Die Inhaberin des Labels ist die SAB. «Jugendfreundliche Bergdörfer» ist als Marke eingetragen und urheberrechtlich geschützt. Das Nutzungsrecht ist denjenigen Gemeinden vorbehalten, welche die Anforderungen des Labels erfüllen.

Das SAB-Jugendforum ist ein Organ der SAB und wird von ihr administrativ betreut. Die Gemeinden, welche Träger des Labels «Jugendfreundliche Bergdörfer» sind, senden Jugendliche ans SAB-Jugendforum. Über die Vergabe des Labels entscheidet das SAB-Jugendforum. Es entscheidet auch darüber, ob das Label entzogen wird, wenn eine Gemeinde und die Jugendlichen ihre Verpflichtungen nicht erfüllen. Die Verleihung des Labels findet an der Generalversammlung der SAB statt, welche dieses Jahr am 24. August in Campra TI stattfindet. Dort werden die neuen Gemeinden bekannt gegeben, die vom Jugendforum in Hergiswil gewählt wurden und mit dem Label «Jugendfreundliche Bergdörfer» ausgezeichnet werden.

Nutzen des Labels
Das Label gibt den Gemeinden die Möglichkeit, ihr Engagement für die Jugend nach aussen zu zeigen. Neben der Anerkennung der Förderung der Jugend werde das Image der Gemeinde verbessert, ausserdem werde «die Attraktivität für Neuzuzüger, insbesondere für Familien», gesteigert. Zudem verhelfe das Label den Jugendverantwortlichen zu mehr Rückhalt bei ihrer Arbeit.