Blasmusikjuwelen und atemberaubende Verrenkungen

Die Musikgesellschaft feiert dieses Jahr ihr 170-jähriges Bestehen. Eröffnet wurde das Jubiläumsjahr mit einem Konzert der besonderen Art. Zu Gast war die Schlangenfrau Nina Burri - mit ihren Verrenkungen liess sie dem Publikum den Atem stocken.

Peter Helfenstein

Wie könnte man ein Jubiläumskonzert schöner eröffnen als mit Turmmusik, welche im 17. Jahrhundert zu den populärsten Musikarten gehörte. Mit der bombastischen Eröffnung begeisterte die Musikgesellschaft mit Remo Freiburghaus am Dirigentenpult das Publikum in der proppenvollen Steinacherhalle mit dem Titel «Tower Music» von Jean-François Michel gleich von Anfang an.

Betörende Eleganz und ungewöhnliche Choreografien
170 Jahre Musikgesellschaft Hergiswil (MGH) beinhalten auch ganz viele Geschichten. «Etwas ganz Schönes ist beim Musikmachen die Tatsache, dass man mit Musik Geschichten erzählen kann», erklärte Moderator Stephan Schärli. So erzählt das Stück «Petite Suite de Ballet» von Eric Ball eine Geschichte über das Ballett. Und wer könnte diese Geschichte bildlich besser darstellen als die charismatische Artistin und frühere Balletttänzerin Nina Burri. Die 42-jährige Bewegungskünstlerin aus Bern faszinierte das Publikum mit ihren schlangenartigen Bewegungen, gepaart mit betörender Eleganz und ungewöhnlichen Choreographien und liess mit ihren Verrenkungen den Atem des Publikums stocken. Das Orchester jedoch verlor den Atem nicht, auch wenn das Stück fast acht Minuten dauerte.

Ein Konzert ohne Marsch - unvorstellbar
Moderator Stephan Schärli, welcher charmant und wortgewandt durch das Konzert führte, meinte, dass ein Marsch zu einem Brass-Band-Konzert gehört wie hierzulande der Schnaps zum Kaffee. Deshalb wurde der «Florentiner Marsch» gespielt, eines der schönsten Werke des tschechischen Komponisten Julius Fucik. Der «Tanz auf dem Vulkan» von W. Hofer/U. Jürgens war wie gemacht für den zweiten Auftritt von Nina Burri. Die eindrückliche Naturgewalt eines feuerspeienden Vulkans ist etwas Grossartiges. Als Vulkan in rotem Catsuit und rotem Mantel gekleidet, posierte Nina Burri zuerst verführerisch auf einem Stuhl. Nach der Entledigung ihres Mantels zeigte sie ihre Kunst auf einem etwa zwei mal zwei Meter grossen Podest. Dafür erntete sie einen frenetischen Applaus.

Grandiose Interpretation von «Dublin Pictures»
In der Pause verpassten sich die Musikanten ein neues Outfit und präsentierten sich im zweiten Teil des Konzertprogramms ohne Veston, jedoch mit weissem Hemd und einer goldenen Krawatte. Die wunderbare Nummer «Jubelklänge» von Ernst Robert Uebel, arrangiert von Roy Newsome, passte sehr gut zum 170. Geburtstag der MGH.
Am Schaffhauser Kantonal-Musikfest 2018 in Stein am Rhein spielte die MGH das Aufgabenstück «Dublin Pictures», komponiert vom Westschweizers Marc Jeanbourquin, und erzielte gleich viele Punkte wie der erstplatzierte Verein. Der erste Satz von «Dublin Pictures» reflektiert die typischen irischen Festivals, wo getanzt wird und das einheimische Bier in Strömen fliesst. Ruhiger wird es im zweiten Satz, der den Blick von der Ha’penny Bridge – einer Brücke über den Fluss Liffey in Dublin – beschreibt. In diesem Satz glänzten einige Solisten auf verschiedenen Instrumenten und offenbarten so die grosse Bandbreite an Klangfarben des Orchesters. Die lebhaften, fröhlichen Rhythmen des letzten Satzes führen den Zuhörer nach Temple Bar, dem berühmten Touristenviertel der Stadt, das bekannt für sein Nachtleben ist. Die Energie der Musik und die virtuosen Motive bilden einen Kontrast zu den vorhergehenden Sätzen und sorgen für ein lebendiges und festliches Finale. Zu den wunderschönen Melodien trat Nina Burri in einem goldenen Catsuit auf, welcher Erinnerungen an den James-Bond-Film «Goldfinger» weckte.

Blasmusik vom Feinsten: Elvira Wiprächtiger, Gregor Kunz und Erich Unternährer.

Bild Peter Helfenstein

Solo-Horn mit Alphorn getauscht
An diesem Konzert durfte auch die Volksmusik nicht fehlen. Bevor es aber soweit war, rief Stephan Schärli die Schlangenfrau Nina Burri zu sich auf die Bühne. Ihr Erscheinen wurde von einem langanhaltenden Applaus durch das Publikum begleitet. In einem lockeren Interview erzählte Nina Burri über ihren Werdegang und wie es möglich wurde, dass sie sich erst mit 30 zur Schlangenfrau ausbilden liess. Nach dem Konzert stand Nina Burri für Fragen des Publikums zur Verfügung, man konnte ein Autogramm abholen oder ein Selfie mit der Künstlerin schiessen. Dem Willisauer Boten gegenüber erklärte sie, dass sie zum ersten Mal mit einer Brass Band aufgetreten ist.
Nach dem Vorspiel zum «Ländler für Brass Band» von Albert Benz durch Erich Unternährer auf dem Alphorn vertauschte er dieses mit seinem Solo-Horn, seinem angestammten Instrument in der MGH. Nach dem immer wieder gern gehörten «Heaven» von Gotthard, arrangiert von Tom Mc Allen, interpretierte die Band das letzte offizielle Stück des Konzerts: «Cervo a Primavera» (Der Hirsch im Frühling) von R. Cocciante, arrangiert von Thijs Oud. Zu diesem Titel brachte Nina Burri das Publikum in einem Leoparden-Catsuit mit ihrer Ausstrahlung ein letztes Mal zum Staunen. Es war einfach unglaublich, wie die Künstlerin während ihrer anstrengenden Körperakrobatik immer ein Lächeln auf dem Gesicht hatte und den Eindruck vermittelte, es gäbe nichts Einfacheres als Kortosionistin zu sein. Mit den Zugaben «Girl» und dem rassigen Marsch «Viva Arogno» verabschiedete sich die Band definitiv vom dankbaren Publikum.

Atemberaubende Verrenkungen der international bekannten Schlangenfrau Nina Burri.

Bild Peter Helfenstein

Neue und bewährte Musikanten
Der Präsident der MGH, Stephan Bucher, begrüsste fünf junge Musikanten, welche zum ersten Mal in den Reihen der MGH am Jahreskonzert mitspielten: Julia Kunz (3. Cornet), Nathalie Glanzmann (1. Es-Horn), Florian Frank (2. Bariton), Severin Wermelinger (3. Cornet) und Jan Schärli (3. Cornet). Mit diesen Neumusikanten liegt das Durchschnittsalter der MGH bei rund 28 Jahren. Nicht nur die MGH feiert heuer ein Jubiläum, sondern auch drei langjährige Mitglieder. Für 25 Jahre aktives Musizieren wird an der Generalversammlung im März Elvira Wiprächtiger als erste Frau in der Vereinsgeschichte der MGH zum Ehrenmitglied ernannt. Für ebenfalls 25 Jahre aktives Musizieren wird Roger Theiler zum Ehrenmitglied ernannt. An der Veteranenehrung des 30. Luzerner Kantonal-Musikfestes am 5. Juni in Emmen wird Arthur Duss nach 35 Jahren aktiven Musizierens zum Eidgenössischen Veteranen ausgezeichnet. Der Präsident dankte rundum. Einen grossen Dank richtete er an die unkomplizierteste, spontanste und beweglichste Bernerin, welche das Publikum auf der Bühne sah, nämlich an Nina Burri!
Mit den Stücken «Flashdance», «Angels» und «Tiger Rag» eröffnete die Jugendmusik Hergiswil unter der Leitung von André Gygli den Konzertabend. Mit der Zugabe «Young Amadeus» verabschiedeten sich die jungen Musikantinnen und Musikanten vom Publikum.