Bergregionen als Lebensräume erhalten

Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete tagte am Donnerstag, 24. August und Freitag, 26. August 2017, in Hergiswil. Sie sagt Nein zur Reduktion der Wasserzinse und zur Revision des Raumplanungsgesetzes, und fordert mit einer Resolution den raschen Ausbau der Breitbandinfrastrukturen.

Peter Helfenstein

Die Präsidentin der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB), Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach, Ueberstorf, wand der Gemeinde Hergiswil zu Beginn der Generalversammlung ein Kränzchen für den herzlichen Empfang.

Landwirtschaft hat einen hohen Stellenwert
Regierungsrat Robert Küng, Vorsteher des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements des Kantons Luzern, überbrachte den Versammelten die besten Grüsse der Luzerner Regierung. Mit Stolz hielt er fest, der Kanton Luzern sei gut aufgestellt, denn das Bruttoinlandprodukt liege deutlich über dem schweizerischen Durchschnitt, die Arbeitslosenquote klar darunter und in der jährlich von der UBS erstellten Rangliste der wirtschaftlich wettbewerbsfähigsten Kantone der Schweiz liege der Kanton Luzern stabil auf dem fünften Platz. Ein wirtschaftlich breiter Mix aus Gewerbe, Industrie, Dienstleistungen, Tourismus und Landwirtschaft bilden die solide Basis dazu.
In 83 Luzerner Gemeinden leben rund 400 000 Einwohnerinnen und Einwohner, und diese teilen sich ziemlich hälftig auf in die Agglomeration Luzern einerseits und in die Landschaft andererseits. Er sei als Wirtschaftsdirektor froh, dass die Landwirtschaft im Kanton Luzern eine wichtige Rolle spiele, so Küng. Zähle man auch die der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Branchen dazu, seien rund 11 Prozent oder jeder neunte Arbeitsplatz direkt oder indirekt mit der Landwirtschaft vernetzt. Gerade weil sich urbane Zentren, Agglomeration sowie ländliche Gebiete und Berggebiete ergänzen und sich gegenseitig befruchten, werde der Kanton Luzern weiterhin erfolgreich und vital unterwegs sein, sagte Küng.

Verwurzelt und offen
Gemeindepräsident Urs Kiener lobte das grosse Engagement der SAB für das Berggebiet und die ländlichen Räume. Die Berggebiete dienen als Lebens- und Wirtschaftsraum und seien auf eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung angewiesen. «Hut ab für so viel Engagement», sagte er und hob seinen Strohhut.
Kiener sagte, die Gemeinde Hergiswil bewege sich gekonnt zwischen starker Verwurzelung und Öffnung weit über die Gemeindegrenze hinaus. Die Hergiswiler Bevölkerung besitze eine grosse Innovations- und Schaffenskraft und engagiere sich sehr stark in den gesellschaftlichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen und kulturellen Bereichen. Er dankte der SAB, welche der Gemeinde erfolgreiche Arbeitseinsätze von freiwilligen Helfern vermittle.

Gemeindepräsident Urs Kiener: «Hut ab für so viel Engagement.»

Bild Peter Helfenstein

Postagenturen sollen mehr Kompetenzen erhalten
SAB-Präsidentin Christine Bulliard-Marbach stellte ihre Rede unter den Titel «Den Handlungsspielraum zurückgewinnen». Ein Schwerpunkt ihrer Rede war die Umstellung von Poststellen in Agenturen. Die SAB stelle sich nicht grundsätzlich dagegen, so Bulliard-Marbach. Sie verlange jedoch, dass Agenturen die gleichen Angebote anbieten, wie eine herkömmliche Poststelle dies tue. Die Grundversorgung sei ein wichtiger Pfeiler für die Attraktivität und die Qualität der ländlichen Räume.

Zwei Nein-Parolen und eine Resolution beschlossen
Der Vorstand der SAB beschloss an seiner ausserordentlichen Sitzung in Hergiswil, die Reduktion der Wasserzinsen und die Revision des Raumplanungsgesetzes abzulehnen. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Reduktion des Wasserzinses würde zu massiven Einbussen für die Standortkantone führen, so der SAB-Vorstand. Ebenso lehnt die SAB die neuerliche Revision des Raumplanungsgesetzes ab.
Die Digitalisierung ist eine grosse Chance, insbesondere für die Berggebiete und die ländlichen Räume. Damit diese Chance genutzt werden kann, braucht es entsprechende digitale Infrastrukturen. Diese seien heute leider nicht überall vorhanden, so die SAB. Die GV verabschiedete deshalb eine Resolution, in der sie einen raschen Ausbau der Breitbandinfrastrukturen fordert.

Sich gegen die Landflucht wehren
Alt Nationalratspräsident Ruedi Lustenberger aus Romoos hielt im Anschluss an die GV ein – aus zeitlichen Gründen gekürztes – Referat zum Thema «Das Schweizer Berggebiet – Einheit in der Vielfalt». Er erinnerte an den Schriftsteller und Volkskundler Josef Zihlmann, genannt «Seppi a de Wiggere». Für ihn bedeutete Heimat nicht geruhsame Behaglichkeit. Damals wie heute stimme seine Aussage: «Heimat neu schaffen heisst beispielsweise dafür zu sorgen, dass junge Menschen vor dem, was Heimat sein könnte, nicht davonlaufen.»
Vor 60 Jahren waren die Berggebiete und die sogenannten peripheren Räume stark von der Abwanderung betroffen. Die Bergbauernfamilien waren in der Regel sehr kinderreich, Arbeitsverdienst für die heranwachsende Jugend gab es wenig. Somit war diese gezwungen, sich ihr Ein- und Auskommen dort zu suchen, wo sie es fand: in den Zentren unseres Landes. Die Medien nannten diese Entwicklung ganz einfach «Landflucht».
Sich gegen diese Landflucht zu wehren bedeute auch heute noch einen permanenten Kampf der Berggebiete, der Berggemeinden und ihrer Organisationen, so Ruedi Lustenberger. Der SAB komme darin eine zentrale Rolle zuteil. Alle ihre Bemühungen wären allerdings ein hoffnungsloses Unterfangen, wenn sie nicht auf die Hilfe und den Beistand der Öffentlichkeit und auf viel Goodwill der Gesellschaft zählen könnte. In erster Linie seien es nach wie vor die materiellen Hilfestellungen, welche die Existenz der Berggemeinden sicherten. Die wichtigste davon sind die bundesstaatlichen und die kantonalen Mechanismen des Finanzausgleichs.

Berggebiete sind Teil unseres Kulturerbes
Die Eidgenossenschaft sei in der Lage und auch willens, ihre Bergregionen als Kultur-, Gesellschafts-, Wirtschaftsund vor allem als Lebensräume zu erhalten, und sie den nachfolgenden Generationen im wohlverstandenen Sinn der Nachhaltigkeit zu vererben, so Lustenberger. Die Berggebiete seien Teil unseres Kulturerbes und damit ein wesentlicher Teil unserer nationalen Vielfalt.
Der Direktor der SAB, Nationalrat Thomas Egger, kommentierte das Referat kurz und bündig mit den Worten: «Sie haben einen erfahrenen Politiker und Sprecher gehört, der es schafft, den Mittelteil wegzulassen und trotzdem die Hauptbotschaft herüberzubringen.»