Rosalia Thalmann-Hodel wurde 95

Die siebenfache Mutter feierte ihren 95. Geburtstag am Sonntag, 8. März. Gerne würde sie die Zeitung lesen, doch die Augen wollen nicht mehr. Fürs Jassen aber reicht es gerade noch.

Peter Helfenstein

Am Sonntag, 8. März 1914, herrschte im Unterberg grosse Freude. Rosalia erblickte als zweites Kind der Familie Hodel das Licht der Welt. 34 700 Tage später durfte sie ihren 95. Geburtstag feiern – und wie es sich für ein Sonntagskind gehört, fiel der 8. März erneut auf einen Sonntag. Droben auf Graus-Neumatt, wo sie im Viergenerationen-Haushalt bestens aufgehoben ist, wurde sie von einer Delegation des Hergiswiler Gemeinderates und vom Gemeindeschreiber besucht.

Leben mit Sonne und Wolken
Sozialvorsteherin Anna Christen begann ihre Tischrede mit einer kleinen Geschichte aus der Schulzeit von Rosalia Thalmann. Weil diese ihren Namen unter einen Aufsatz in Kurzform (Rosa Hodel) schrieb, trug ihr das eine Strafaufgabe ein. Heute will sie Rosi genannt werden. Anna Christen überbrachte der Jubilarin im Namen der Gemeinde und der ganzen Bevölkerung die besten Wünsche. Sie gratulierte Rosi zum hohen Geburtstag und wünschte ihr viel Glück, gute Gesundheit und Wohlergehen. Auf dem langen Lebensweg schien oft die Sonne, aber es kamen auch Wolken und Gewitter vorbei. Sie aber hat das Leben gut gemeistert und die Sorgen und Schicksale angenommen und ertragen. Leider hat das Augenlicht stark abgenommen, doch ihren geliebten Jass beherrscht sie wie eine Weltmeisterin. Damit das auch in Zukunft so bleibt, übergab ihr Anna Christen ein Kartenset mit grosser Schrift.

Kräftige junge Frau
Rosalia wuchs mit vier Schwestern und zwei Brüdern auf. Die sehr gute Schülerin durfte die Schulzeit nach 6 ½ Jahren vorzeitig beenden. Nun musste die sehr kräftige Frau auf dem Bauernhof mitarbeiten. Sie trug mit dem Räf Mist auf den Hang oberhalb des Unterberges. Auch das Grasmähen von Hand war für sie selbstverständlich. «Immer acht Mahden mussten gemäht werden», ergänzt Rosalia. Zwischendurch half sie als Tagelöhnerin auf dem Wisshubel bei Josef Kunz aus und verdiente so im Tag zwei Franken. Grosse Freude hatte sie, als sie aus dem ersparten Geld die ersten eigenen Schuhe kaufen konnte. Der Kommentar ihrer Mutter lautete: «Billigere Schuhe hätten auch genügt!»

Zufrieden und fröhlich
1933 heiratete Rosalia und zog in die Neumatt. Bereits ein Jahr später kam am Josefstag ihr erstes Kind auf die Welt. Es folgten noch vier Mädchen und zwei Knaben. Rosi sagt, dass ihr Mann ein lieber gewesen sei und sie immer den Frieden hatten. Einmal holte Rosi kurz vor Weihnachten mit dem Pferd Fanny und einem Karren ihre zwei Schwestern, die in Luzern arbeiteten, in Willisau ab.
Rosi war immer eine gesellige und fröhliche Frau und war gerne in einer gemütlichen Runde. Weil sie eine grosse Familie hatte, konnte sie selten weg, aber die Fasnachtszeit liebte sie sehr.
Weil Anna Christen gar vieles aus dem Leben von Rosi zu erzählen wusste, bemerkte die aufmerksam zuhörende Jubilarin: «Äh, du weisch mer doch alle Cheips, das esch doch ned normal.» Und sie fragte die Rednerin: «Wie mängs Blatt hesch überhaupt no? Ond wie lang hesch do dra überhaupt gschaffed?»
Anna Christen sagte, dass heute das Leben von Rosi etwas ruhiger geworden ist. Da aber vier Generationen unter einem Dach wohnen, ist stets für Betrieb gesorgt. Rosi schätzt die gute Betreuung und Begleitung von Lisbeth, aber auch den anderen Familienmitgliedern. Ohne diese Einheit und das gegenseitige Verständnis wäre das Wohnen zu Hause nicht mehr möglich.

Gemeinderat und Gemeindeschreiber mit der Jubilarin Rosalia Thalmann-Hodel

Die rüstige Jubilarin Rosalia Thalmann-Hodel flankiert von Sozialvorsteherin Anna Christen und Gemeindeammann Walter Grüter. H. v. l.: Gemeinderat Markus Kunz, Gemeindeschreiber Klaus Zihlmann und Gemeinderat Urs Kiener. Gemeindepräsident Beat Thalmann liess sich entschuldigen.

Bild Peter Helfenstein

Viele Erinnerungen an früher
Nach der Ansprache von Anna Christen ergriff die Jubilarin das Wort und erzählte, wie das Leben für sie nach und nach kam. Sie habe sehr früh arbeiten müssen. Mehrmals betonte sie, dass sie gerne gearbeitet habe. Auch das Thema Heiraten sprach sie an. Es ist halt so gekommen. Als Fünfzehnjährige zog sie zu ihrem Nachbarn, dem Hans Thalmann, weil dessen Mutter nochmals heiratete und zwar einen Wittwer, der seinerseits bereits 17 Kinder hatte. Am 29. Mai 1933 hat sie Hans Thalmann geheiratet und mit ihm den Frieden gehabt.
Sie erzählte vom Velofahren sowie von einem günstigen Velokauf. Unauslöschbar in ihrer Erinnerung ist ihr ein wunderschönes Mädchen aus der Nachbarschaft, welches ins Spital gebracht wurde und von dort tot geholt werden musste. Beim Lauben stiess Rosalia einmal auf ein geladenes Gewehr. Noch heute meint sie, dass sie grosses Glück gehabt hat, dass sich kein Schuss löste.
Mit dem Versprechen, die Jubilarin an ihrem 100. Geburtstag wieder zu besuchen, verabschiedeten sich die Gemeindevertreter von der liebenswürdigen Rosalia Thalmann.