Früher oder später...

Die katholischen Pfarreien Willisau und Hergiswil sowie die reformierte Kirchgemeinde Hüswil-Willisau führen einen fünfteiligen Bildungszyklus zum Thema «Sterben, Tod, Trauer und Hoffnung» durch. Am ersten Kursabend wurden die Bestattungsrituale der katholischen und der reformierten Kirche erläutert. Es bestehen einige grundsätzliche Unterschiede.

Peter Helfenstein

Valo Hocher, Pfarrer der katholischen Pfarrei Hergiswil, blickte in seinem Impulsreferat auf die Rituale der Fünfziger- und Sechzigerjahre zurück. Damals sei der Tote im Sterbezimmer oder in der Stube auf einer Art Katafalk bis zum Tag der Beerdigung aufgebahrt worden. Die Menschen im Dorf seien gekommen, um zu beten, zu kondolieren und Anteilnahme zu zeigen. Die Gesänge bei der Beerdigung seien belastend, schwer und traurig gewesen. Sie hätten das Leben dunkel gemacht, so dunkel wie die Kleider der Angehörigen. Das Thema «letztes Gericht», dem der Verstorbene ausgesetzt war, stand im Vordergrund. Tod und Sterben waren angstbesetzt, auch in den Ritualen, in den Texten und in den Gebeten. Der Pfarrer der katholischen Pfarrei Willisau, Martin Walter, brachte dem Publikum den Menschen des Mittelalters näher, weil viele Beerdigungsrituale von der Denkweise dieser Zeit geprägt sind.

Die drei Pfarrer

V.l.: Die Pfarrer Valo Hocher, Rolf Zaugg und Martin Walter.

Bild Peter Helfenstein

Abschied vom toten Leib ist von zentraler Bedeutung
Im Zentrum eines katholischen Beerdigungsgottesdienstes steht der Verstorbene. Trotzdem wird heute viel sensibler versucht, auch den Angehörigen nahe zu sein und sie zu begleiten. Weil der Abschied vom toten Leib ein psychologisch schwieriger Moment ist, ermöglicht die katholische Kirche den Angehörigen bei einer Kremation, dass im engsten Familienkreis am Sarg eine kleine Abschiedsfeier stattfinden kann, bevor dieser zur Kremation weggeführt wird. Vielerorts wird der Sarg oder die Urne in die Kirche genommen, weil der Tote nahe und gegenwärtig sein soll. Das Verständnis der katholischen Kirche geht davon aus, dass die Zurückgebliebenen über den Tod hinaus mit den Verstorbenen in einer Gemeinschaft leben. In Hergiswil ist es Tradition, dass der Sarg oder die Urne vor der versammelten Trauergemeinde zur Ruhe gebettet wird. Dies ist ein sehr schmerzlicher Moment für die Angehörigen, aber auch eine ganz wichtiger Moment des Abschieds. Mit Gebeten, Trostworten, Gesängen und Musik wird versucht, den Schmerz über diese unvermeidliche Trennung zu mildern. Mit dem Dreissigsten wird die grosse Trauer abgeschlossen, um wieder in die Normalität des Lebens zurück zu kehren.

Kommunikation mit Verstorbenen ist nicht möglich
Rolf Zaugg, Pfarrer der reformierten Kirchgemeinde Willisau-Hüswil, formulierte folgende These: «Im Zentrum reformierter Abschiedsrituale stehen die Hinterbliebenen. Wir vertrauen darauf, dass die Verstorbenen bei Gott geborgen bleiben. Sie bedürfen weder unserer Fürsprache, noch können sie Fürsprecher für uns bei Gott sein. Im Angesicht des Todes eines Menschen brauchen wir Zuspruch – Abdankungsrituale helfen uns dabei, von Schmerz und Trauer neu ins Leben zu finden.»
Weil sich die reformierte Kirche primär für das Leben interessiert, findet die Bestattung in der Regel vor dem Abdankungsgottesdienst statt. Zaugg betonte, dass es schwierig ist, sich dem Leben zuzuwenden, wenn zuvorderst in der Kirche ein Sarg steht, da durch diesen der Tod den Gottesdienst dominiert. Daher gibt es auch keine bildlichen Darstellungen von Toten im Gottesdienst.
Greifbar still wurde es im Kirchenzentrum als Rolf Zaugg sagte, dass es keine Verbindung von unserer Welt zur »anderen Welt« gibt - ausser zu Gott. Wenn jemand frisch gestorben ist, ist dies vielleicht erschreckend.

Fegefeuer ja oder nein
Das Fegefeuer (lat.: purgatorium = Reinigungsstätte) ist nach der römisch-katholischen Lehre ein Zustand der Läuterung, in dem die Seele eines Verstorbenen auf den Himmel vorbereitet wird. Da die katholische Kirche jedoch davon ausgeht, dass «nichts Unreines in den Himmel kommen kann», ist die Vorstellung eines Ortes bzw. eines Zustandes der Läuterung entstanden, welche Fegefeuer genannt wird. Zum Teil bis heute lebendig ist die Tradition bei den Katholiken, dass man für den Verstorbenen möglichst rasch möglichst viele Messen stiftet, in der Erwartung und Meinung, dass jede Messe ihn ein wenig rascher von der Not und vielleicht vom Leiden im Fegefeuer erlöse und in den Himmel befördere. «Solus Christus - Christus allein» meint in der lutherischen Theologie, dass allein Christus mit seinem Heilswerk die Erlösung des sündigen Menschen erwirkt. Deshalb kennt die reformierte Kirche kein Fegefeuer.

Einzel- oder Gemeinschaftsgrab
Die Frage, ob man ein Einzel- oder Gemeinschaftsgrab will, muss gut überlegt werden. Denn die Beziehung, die man zu einem Toten hatte, kann man an einem Gemeinschaftsgrab nie gleich pflegen wie an einem Einzelgrab. Hocher erlebte schon schwierige Situationen mit Paaren, bei denen der verstorbene Partner einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt wurde. Der überlebende Partner wurde dadurch heimatlos und neurotisch-depressiv. Die katholische Kirche betrachtet im Übrigen die Erdbestattung als die angemessenere Form, weil Jesus selber erdbestattet wurde, und das soll für die Christen ein bisschen Modellcharakter haben.

Die Urne auf dem Klavier
Wenn der Verstorbene gewünscht hat, dass seine Asche an einem für ihn bedeutenden Ort verstreut wird, dann wird den Verwandten ein Ort zum Trauern weggenommen. Ähnlich ist es, wenn die Urne mit nach Hause genommen wird. Auf der einen Seite wird Trauerarbeit verhindert, weil man sich nicht wirklich vom andern trennt. Und das grosse Problem kann Jahre später kommen, wenn der andere Partner auch stirbt und die Urne noch immer auf dem Klavier steht.