Faszinierendes Himmelsspektakel

Am 29. März 2006 fand eine totale Sonnenfinsternis statt. Für mich war es bereits das zweite Ereignis dieser Art, das ich – diesmal in der Südtürkei - miterleben durfte. Wie heisst es so schön: «Wer einmal eine gesehen hat, reist wieder hin.»

Peter Helfenstein

Es war das perfekte Wetter für eine Sonnenfinsternis! 2700 Kilometer war ich diesmal gereist: Mit dem Flugzeug von Zürich via Istanbul nach Antalya an der türkischen Riviera. Dann ging’s mit dem Taxi ins 50 Kilometer östlich von Antalya gelegene Belek, wo mein Bruder und ich während einer Woche im Fünfsterne-Hotel Rixos Premium logierten.

Sensationelle Bilder

Der Finsternistag begann wolkenlos. Wir wählten einen Beobachtungspunkt nur unweit unseres Hotels. Im Hotelpark wurde zu einem Sonnenfinsternis-Cocktail mit lauter Musik geladen. Wir zogen es vor, uns auf Liegestühlen beim Schwimmbassin einzurichten, wo uns der Lärm nicht störte. Hier trafen wir auf Heinz-Peter Laub aus Bitburg (D). Auf seinem Stativ war eine Nikon D1X 5,5 Megapixel mit einem Nikon ED 300mm / f 2.8 Objektiv befestigt. Mit dem Kenco Telekonverter 1,4 erreichte Laub die Brennweite von 630 mm. Weil ich mir bewusst war, dass ich mit meiner Kamera keine brauchbaren Bilder von der Finsternis schiessen konnte, fragte ich Heinz-Peter Laub, ob er mir seine Bilder zur Verfügung stellen würde. Glücklicherweise tat er das, wie die untenstehenden Bilder beweisen.

Ein fantastischer Diamantring

Pünktlich um 12:38 Ortszeit knabberte der Mond die Sonne an. Die Temperatur lag zu Beginn bei 24° C. Je mehr der Mond die Sonne verdeckte, desto kühler wurde es. Das Licht änderte sich etwa ab der Mitte der Finsternis. Um die Totalität in Ruhe geniessen zu können, verliessen wir die Liegestühle und begaben uns an den Strand, wo wir nur das Rauschen des Meeres hörten. Die typische fahlgraue Beleuchtung wurde nun markanter. Faszinierend ist vor allem das Eindunkeln kurz vor der Totalität. Die Schatten verschwinden, die Natur ist in einen grauen Dämmerungsschleier gehüllt. Auf einmal färbte sich der östliche Horizont schwefelgelb, während der Himmel darüber türkisfarben anlief. Im Südwesten funkelte unübersehbar hell die Venus. Der rund 180 km breite Schatten des Mondes flog mit 3250 km/h heran. Ein wunderschöner Diamantring leitete die totale Sonnenfinsternis ein.

Diamantring

Der 1. Diamantring funkelt und kündigt die Totalität an.

Rendezvous der besonderen Art

Nun konnten wir mit freien Augen zur schwarzen Sonne blicken. Der Neumond stand exakt vor der Sonne: Ein Rendezvous der besonderen Art. Wir verharrten in Schweigen und - wie jetzt auch beim Schreiben - überfuhr mich eine Gänsehaut. Eine wunderbare, weit ausgefranste und helle Korona stand 54° hoch über uns, ein fantastischer Anblick. Es kam allerdings nicht zur totalen Dunkelheit wie 1999 in Deutschland - wohl wegen des seitlichen Restlichts und des sehr hellen Strahlenkranzes.

 

Korona

Höhepunkt der Sonnenfinsternis: Die Korona erstrahlt in ihrem vollen Glanz

Bilder Heinz-Peter Laub, D-Bitburg

Viel zu schnell endete auch diese - über drei Minuten lange - totale Finsternis. Schon wurde der südliche Bereich der inneren Korona wieder heller. Der Himmel hellte rasch wieder auf und da brach auch der erste Lichtfunke durch ein Mondtal hervor. Der zweite Diamantring leuchtete auf und es galt, die Finsternisbrille wieder aufzusetzen.

Eine Eklipse ist ein globales Ereignis

Hunderttausende Menschen von Brasilien bis in die Mongolei haben am 29. März die vierte totale Sonnenfinsternis des 21. Jahrhunderts bestaunt. Das Naturschauspiel hatte mit dem Sonnenaufgang in Ostbrasilien begonnen. Der Kernschatten des Mondes war anschliessend über den Atlantik, Nordafrika und den östlichen Mittelmeerraum gerast. Zwischen Russland und der Mongolei ging das Himmelsspektakel schliesslich um 13.48 Uhr (MESZ) in der von Osten heraufziehenden Nacht zu Ende. Die Finsternismitte wurde um 12.33 Uhr (MESZ) im Grenzgebiet vom Tschad zu Libyen erreicht.

Schatten über Afrika

Der Schatten über Afrika am 29. März 2006

Bild Deutscher Wetterdienst

Pläne für die Zukunft

Ich hoffe, dass diese Sonnenfinsternis für mich nicht die letzte war. Bereits 1999 habe ich in dieser Zeitung folgendes geschrieben: «Für mich steht heute schon fest: Am 22. Juli 2009 reise ich - so Gott will - nach Shanghai in China, um dort die längste Sonnenfinsternis des 21. Jahrhunderts zu erleben. Dann wird man die schwarze Sonne während der Rekorddauer von 6 Minuten 39 Sekunden bestaunen können. Wer einmal erlebt hat, wie die Sonne mitten am Tag verschwindet, wird süchtig nach dem Schattenkick. Also, auf Wiedersehen im Jahr 2009 in Shanghai!» Damals ahnte ich noch nicht, dass ich auch die totale Sonnenfinsternis am 29. März 2006 erleben würde. Und als Finsternisfan fiebere ich auf ein Ereignis in ferner Zukunft hin: Am 2. August 2027 wird der Mond die Sonne am Nil in Ägypten fast sechseinhalb Minuten lang verdecken, und die schwarze Sonne wird fast senkrecht über dem Beobachter stehen – nach Ansicht von Astroinfo «die Jahrhundertfinsternis».
Erst am 3. September 2081 wird auch hierzulande wieder eine totale Sonnenfinsternis zu sehen sein. Für dieses Ereignis habe ich aus guten Gründen noch keine Pläne geschmiedet!

Schwarze Sonne im Internet
Wer die totale Sonnenfinsternis nicht mitverfolgen konnte, kann aufs Internet. Ein Team des Exploratoriums, eines Wissenschaftsmuseums in San Francisco, reiste in die Türkei und übertrug das Himmelsspektakel aus dem antiken Amphitheater in Side an der türkischen Südküste. Dort hat der Mond die Sonne um 12.54 Uhr MESZ während 3 Minuten und 41 Sekunden total abgedeckt. Das am 29. März gemachte Video kann unter folgender Adresse angeschaut werden:
www.exploratorium.edu/eclipse.
Damit’s funktioniert, muss auf Ihrem Rechner der «Real Player» installiert sein.